Hübsche Gesichter mit blondem Haar und einem unverkennbaren Charme in ihren wachen Augen lächeln dem Beobachter auf den vielen Polaroid-Bildern entgegen, die zwischen Postkarten mit den verschiedensten Hintergründen aus allen möglichen Ländern dieser Welt in einer Schublade liegen. Die kritzelige Schrift auf der Rückseite erkundigt sich nach dem Wohlbefinden der Kinder, auch wenn die Antworten auf diesem Wege meist ausbleiben und die Distanz förmlich zwischen den in bunter Tinte geschriebenen Zeilen zu lesen ist. Heute hier, morgen dort. Sorcha Cassidy würde dieses Volkslied vermutlich in dem Moment hassen, in dem sie es zum ersten Mal hören würde.Das eigene Leben in mit den verschiedensten Aufklebern verzierten Koffern zu transportieren ist ein Umstand, den Sorcha bereits kennt, seit sie denken kann. Als Tochter zweier freundlichst ausgedrückt exzentrischer Künstler-Eltern, deren Bekanntheitsgrad sich über die Jahre sogar noch über die vielfältigen Fähigkeiten als Trickster gesteigert hat, war das was die meisten Kinder ihres Alters als Heimat oder Zuhause bezeichnen für sie meist eine Angelegenheit von höchstens wenigen Monaten. Angeblich war es Sicherheit, die sich ihre Familie dadurch erhoffte, davor, eines Tages doch noch von einem Witcher als Gefahr eingestuft zu werden. Die Familie Cassidy war noch nie dafür bekannt, zu den friedlichsten Vertretern ihrer Art zu gehören, zumindest was den Blick auf den eigenen Vorteil und die persönliche Machtvergrößerung angeht. Böse Zungen behaupten, es waren auch sie, die sich dazu hinreißen ließen bei der Erweckung der Mutter ihre Finger ins Spiel zu bringen. Aber wer weiß schon so genau, was Realität und Illusion ist, wie ihre Eltern stets mit einem spielerischen Lächeln und dem Blick auf die Familiengeschichte behaupten. Die Mission und das Ziel war es also zumindest offiziell, ‚Menschen‘ zu sein, die ihren eigenen Ambitionen nachgehen konnten, ohne dabei zu lange an einem Ort zu verweilen und dort durch die langsame Alterung oder ihre Eigenarten aufzufallen. Wenn es nach Sorcha geht waren auch das alles nur Ausreden, um niemals selbst Abstriche machen zu müssen und vor allem die eigenen Interessen zu beschützen – ihr fehlte damals die Sicherheit, die ein normales Leben mit sich bringen konnte, auch wenn sie sich von der Freude ihrer Eltern mitreißen ließ. Der einzige Vorteil war es, gleich mehrere Vertreter der eigenen Art um sich zu haben, die früh auf die Entwicklung ihrer Fähigkeiten einwirken und ihr eine Menge auch selbst beibringen konnten.Der erste Lichtblick auf einen sicheren Hafen sollte New Avalon werden, wo sowohl Sorcha als auch ihr Geschwisterkind schließlich in die sicheren Hände der Elementary School gegeben wurden. Ihre Mutter kehrten damit in ihre eigene Heimat zurück, die sie bereits mit den 21 Jahren verlassen hatte, um die Welt zu sehen und dabei ihren irischen Vater kennengelernt hatte. Erst wurden auch die Geschwister nur halbtags unterrichtet und lebten zum ersten Mal länger in einer Stadt, bis es schließlich möglich war, beide Kinder ins Internat zu stecken und ihren Häusern zu überlassen – so würde es die zurückgelassene Tochter jedenfalls selbst behaupten. Ihre Eltern widmeten sich ihren Angelegenheiten und Reisen, überließen die Verantwortung wie immer bei anderen und melden sich heute eher sporadisch durch die furchtbaren Postkarten oder gelegentliche Anrufe. Die Person, auf die sie sich verlassen kann, ist ihr Bruder/ihre Schwester, welche/r die Schule mittlerweile verlassen konnte und nun ebenfalls davor steht, den eigenen Weg zu finden. Sorcha selbst graut es davor die Schule zu verlassen, in der sie sich bisher endlich voll und ganz sich selbst widmen kann, ihre Kräfte jeden Tag ein wenig mehr meistert und dabei eine leidenschaftliche Jaadoo-Spielerin geworden ist. Eine der wenigen Sachen, die sie davon abhält, nicht an Unsinn zu denken. Der Apfel fällt eben nicht so weit vom Stamm wie die Cassidy selbst es sich wünschen würde, was die Persönlichkeit angeht und auch wenn die Halb-Irin längst nicht vorhat, die Dunkelheit ihrer eigenen Emotionen gewinnen zu lassen sehen einige mit Sorge darauf, für welche Seite und welche Ambitionen sich Sorcha als kleine Unruhestifterin vielleicht einmal entscheiden wird.Auf dem Bild mit ihren Freundinnen, welches auf ihrem Nachttisch steht ist ihr Lächeln schließlich dem nicht so unähnlich, welches auch ihre Eltern sich über die Jahre antrainiert haben und welches mit all dem Charisma von den eigenen Gedanken ablenkt.
Wir sind Geschwister, die gemeinsam mit der Familie auf den Reisen um die ganze Welt bereits einiges erlebt haben. Ob unsere Eltern bereits vor meiner Geburt so oft mit dir durch die Gegend gereist sind oder ob du New Avalon vielleicht noch von früher kennst ist ganz davon abhängig, wie viel älter du möglicherweise bist. Gerade halten wir uns in der Stadt auf, du hast es mittlerweile aus der Schule geschafft und darfst deinen ganz eigenen Weg gehen. Vielleicht halte nur ich dich noch in der Stadt und du strebst wie unsere Eltern nach der großen Freiheit, die du dir nicht nehmen lassen möchtest, eventuell hast du allerdings auch deine ganz eigenen Gründe. Verrätst du sie mir, wenn du endlich wieder da bist? Für mich bist du oft genug ein Elternersatz gewesen, auch wenn es dich momentan sicherlich auch ein wenig in den Wahnsinn treibt, wenn du hörst das ich meine Trickster-Gene nicht nur für das Gute auf dieser Welt in der Schule nutze. Oder warst du genau so schlimm? Ich hatte schon immer das Gefühl auch dich treiben Dinge an, die deine Motivation eher auf dunklere Pfade leiten. Die Geschichte der letzten Jahre kannst du meiner Story entnehmen.